Vielen Dank an alle die an unserer Kundgebung teilgenommen haben

05.03.2024

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Es war wirklich schön zu sehen wie viele trotz der kalten Temperatur vor Ort waren und Flagge gezeigt haben. Egal ob Kirche, Partnerschaftsverein, Schulförderverein, die örtlichen politischen Fraktionen, der Vorsitzende der Gemeindevertretung, die Omas gegen Rechts oder Manhattan Affair - alle hatten gute Reden bzw. musikalische Beiträge vorbereitet, die der Veranstaltung einen würdigen Rahmen gegeben haben.

Hier finden Sie meine Rede zur Kundgebung:

Hallo liebe Wölfersheimerinnen und Wölfersheimer,

ich freu mich sehr, dass so viele von euch heute hier auf der Brücke vor unserem Rathaus erschienen sind, um gemeinsam ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.

Die aktuelle Zeit ist nicht einfach.
Gleich vorne weg: Ich verstehe jeden, der aktuell Probleme mit der Regierung hat. Unsere Bundesregierung, egal wer in den letzten 10 Jahren an der Macht war, hat sich oft ein Eigentor geschossen.

Themen wie eine Maut auf der Autobahn, Unsummen an Beraterkosten für die Bundeswehr, das Heizungsgesetz, was für viel Kopfschütteln gesorgt hat, oder Subventionskürzung bei den Landwirten, die eine Woche später wieder gestrichen werden, sorgen, vollkommen zurecht, für Unverständnis und auch für Unsicherheit bei vielen von uns.

Wahr ist aber auch, dass wir seit mehreren Jahren von einer Krise in die andere stürzen, für die kein Politiker etwas kann. Und diese Krisen wurden unter dem Strich extrem gut gemeistert.

Wir hatten in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern einen sehr guten Umgang mit der Corona-Krise und konnten dadurch die Gesundheit und das Leben von vielen Menschen retten.

Wir haben entschlossen gehandelt, als in der Ukraine der Krieg ausbrach und uns solidarisch gezeigt mit einem Land in Europa, das von einem Geisteskranken russischen Diktator angegriffen wird.
Durch dieses schnelle Handeln konnten viele Leben gerettet werden.


Auch die Energiekrise, bei der Horrorszenarien an die Wand gemalt wurden, dass viele Menschen in unserem Land im Winter frieren werden, konnte ohne größere Probleme bewältigt werden.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass wir unwahrscheinlich viel Geld ausgeben mussten und müssen, um diese Krisen zu bewältigen.

Diese Auswirkungen merken wir alle täglich, und sie machen keinem Spaß und gehen auch nicht selten an die Existenz.

Diese Probleme sind aber kein Grund dafür, eine extreme Partei zu wählen oder sich in der Öffentlichkeit für eine solche Partei zu positionieren. Ganz im Gegenteil!

Vor einigen Wochen, als das erste Mal das Wort „Remigration“ richtig öffentlich wurde, war mein erster Gedankengang:
„Es ist jetzt endgültig das Fass übergelaufen. So kann es nicht weitergehen. Wir dürfen uns das nicht länger gefallen lassen . Wir müssen aufstehen und laut sein.“ Und genau das machen wir heute!

Als Bürgermeister bin ich oft bei älteren Menschen auf Geburtstagen eingeladen.
Vor einigen Wochen war ich in Berstadt bei der zweitältesten Bürgerin unserer Gemeinde.
Die Frau ist 103 Jahre alt und wohnt in Berstadt.
Sie ist für ihr Alter topfit. Liest jeden Tag die Zeitung, schaut die Tagesschau, liest eine Trilogie und ist beim dritten Buch gerade auf Seite 396. Sie ist mit sich im Reinen und genießt ihr Leben mit ihrer Familie und ihrer Katze, Maya.

Während meines Besuchs sagte sie irgendwann:
„Herr See, machen wir uns mal nichts vor, in unserem Land ist auch nicht alles Gold, was glänzt, ich mache mir wirklich große Sorgen.

Mein erster Gedanke war dann: okay jetzt kommt das Heizungsgesetz, weil sie nicht weiß, ob sie eine neue Heizung braucht oder nicht.

Dem war aber nicht so. Sie sagte: „Wenn ich sehe, was in Berlin abläuft, wie diese Rechten dort im Bundestag ein und ausgehen und was da für Äußerungen fallen, dann erinnert mich das alles an eine Zeit, die ich schon mal erleben musste.

Und dann sagte sie: „Bitte tun Sie alles dafür, dass sowas nicht noch mal passiert wie damals“.
Die Frau konnten große Teile Ihres Lebens nicht ansatzweise normal leben. Sie musste erleben, wie ihr Mann verletzt aus dem Krieg zurückkam, sie hat erlebt, wie sie umziehen musste, weil ihr ganzer Straßenzug in Schutt und Asche lag und noch viel, viel mehr.

Zwei Wochen später war ich auf einem 90. Geburtstag in Wölfersheim. Das Geburtstagskind hat auf unseren Pfarrer und mich gewartet bis wir neben ihm gesessen haben. Anschließend ist er aufgestanden und hat zu seiner Familie und zu uns gesprochen. Er hat sich bei seiner Frau, seinen Kindern und seinen Freunden für alles bedankt, was sie für ihn im Laufe seines Lebens gemacht haben.

Und anschließend hat er einen Appell an uns alle gerichtet.
Seine Worte waren: „Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen!
Was gerade passiert, gab es schon mal. Und keiner will das mehr erleben, was er als Kind und Jugendlicher durchmachen musste.

Liebe Wölfersheimerinnen und Wölfersheimer,
das sind Hilferufe! Hilferufe von Menschen, die Sachen gesehen haben und erleben mussten, die niemand von uns sich selbst, seinen Kindern und auch Enkelkindern antun möchte.

Wir müssen alles dafür tun, dass wir weiterhin in einem demokratischen Land leben können, indem niemand Angst haben muss, egal welche Partei er wählt, egal aus welchem Land er kommt , welche Hautfarbe er hat, welche geschlechtliche Orientierung er hat oder was sonst noch Rechtsextremen gerade nicht passt.

Es ist an der Zeit, dass wir aufstehen und immer wieder sagen:

Das ist unser Land und das lassen wir uns von keinem nehmen.
Wir sind mehr.
Wir sind Demokraten.
Wir fallen nicht auf eure plumpen Parolen rein.
Und wir lassen uns von euch rechten Pack nicht einschüchtern.

Helmut Schmidt hat einmal gesagt:
Wer nicht redet – wird nicht gehört!

Und genau deswegen habe ich die Bitte an Sie. Reden Sie!
Sagen Sie Menschen, die etwas anderes behaupten, dass Remigration, Fremdenfeindlichkeit und Hass keine Alternative für unser Land sind, sondern der Anfang vom Ende!

Danke, dass Ihr hier seid.

Ich wünsche uns allen noch einen schöne Kundgebung.

Glück auf!

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